Als Vibratoren noch Schmuddelware waren

Manchmal bringt das Buddeln im Artikel-Archiv lustige Fundstücke zu Tage. Im Jahr 2008 gab es noch das Blog-Medium „Neuerdings.com“, das sich vor allem an Technik-Nerds richtete. Als Autor versuchte ich manchmal, den Begriff „Technik“ sehr weit zu fassen. ;-).

Nachfolgend der Original-Text, den ich nur mithilfe der Wayback-machine überhaupt noch gefunden habe.


Philips vibriert

Kurt Haupt, 6. November 2008 18:32 Uhr,

Philips steigt in den Vibi-Markt ein und bezeichnet die Produktreihe erst mal vorsichtig als “relationship care”. Drei verschiedene Modelle sollen für Prickeln sorgen und glänzen äusserlich durch schmeichelndes Design und innerlich durch leistungsfähiges High-Tech.

Wer stundenlang vor dem Philips-Fernseher sitzt, hat vielleicht einen verspannten Nacken. Dagegen hilft die neue Philips Modellreihe HF84xx:

Für schreckhafte Nackenstarrige empfiehlt sich besonders der “Warm intimate massager” mit der Bezeichnung HF8410. Das Massagegerät in der Form einer Seife hat eine beheizte Ladeschale. Man zuckt also auch nicht zurück, wenn das Teil mit anderen Körperteilen als dem Nacken in Berührung kommt.

Sexspielzeug aus Holland

Philips Beziehungspfleger sind eigentlich Sexspielzeuge, auch wenn sich die Holländer ein bisschen zieren, das zuzugeben. In den Werbevideos sieht man lediglich zwei Hände, welche den Vibi wie eine heisse Kartoffel gegenseitig hin und her schieben. Neben der aufgewärmten Seife gibt es noch das Kit “Intimate dual massagers” (HF8400), bei dem je ein Vibi für Männer und Frauen im Ladeköfferchen liegt. Das Design lässt vielleicht Colani erröten und der Fantasie viel Raum.

Philips scheint ein bisschen Hemmungen zu haben, die Dinge beim Namen zu nennen. Man befürchtet anscheinend, der Markenname würde in die Schmuddelecke abgedrängt oder gar die Internetseiten von Philips auf die Kinderschutz-Sperrfilter gesetzt. Dabei verdient ja eigentlich dieser Gerätebereich endlich technisch ausgereifte Lösungen.
Das ganze Spannungsfeld zwischen Unschuld und Realität vermittelt die Gebrauchsanleitung der Beziehungspfleger. Der Einstieg ist erst mal knallhart: “Um das Infektionsrisiko zu verringern, streifen Sie ein Kondom über die Intim-Massagegeräte, wenn Sie sie im Intimbereich einsetzen.” Einige Zeilen später wird dann wieder ganz unschuldig gewarnt, man soll die Teile “nicht in Körperöffnungen einführen”. Der schärfste Spruch im Handbuch stammt vermutlich aber aus der Philips-Rechtsabteilung vom dortigen Spezialisten für Produktehaftpflicht: “Diese Massagegeräte sind für Benutzer ohne jegliche Erfahrung oder Vorwissen nur dann geeignet, wenn eine angemessene Aufsicht oder ausführliche Anleitung zur Benutzung der Massagegeräte durch eine verantwortliche Person sichergestellt ist”. Aha, man soll also doch gemeinsam rumspielen.

Ob die Beziehungspfleger wirklich funktionieren, kann ich nicht sagen. Ein Testgerät hat es leider bisher nicht zu mir geschafft. Die technischen Spezifikationen lassen aber gutes Erahnen. Es gibt vier Betriebsmodi mit fünf verschiedene Vibrationsstärken. Die prickelnde Schwingung erreicht dabei maximal 120 Hertz. Lobenswert ist, das Philips die Geräuschkulisse in den technischen Daten sauber deklariert. Die Dinger brummen je nach Modell mit 32 bis 49 Dezibel. In einem YouTube-Video kann man den Massager sogar probehören. Das Seifenmodell ist badewannentauglich, die Duo-Kit spritzwasserfest.

Zu kaufen gibt es die Beziehungsfestiger vorläufig nur in England. Die Gebrauchsanweisung liegt aber bereits in Deutsch vor. Amazon England verlangt für die Vibratoren zwischen 80 und 90 Pfund (100 bis 115 Euro, 156 bis 175 Franken).

Damit das Vibi-Thema hier bei Neuerdings auch gleich umfassend und technisch breit abgehandelt ist, hier noch zwei weiter Produkte aus der “Pflegekategorie”:
Wer im Büro seinen USB-Port mal provozierend bestücken will, bestellt sich einfach USB-Vibi Mia von Lelo. Kostenpunkt 49 Euro (ca 79 Franken).
Wer sich dagegen gar nicht traut und Angst vor grinsenden Sicherheitsbeamten am Flughafen hat, bestellt den Tingletip. Der Aufsatz macht aus einer Zahnbürste ein Freudenspender. Den Umbausatz für die Zahnbürste gibt es für knapp 13 Euro (18 Franken).